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Ewiges Widerrufsrecht

Widerruf von alten Darlehensverträgen nach neuester EuGH-Entscheidung wieder möglich!

Das „ewige“ Widerrufsrecht kehrt zurück!

Verwenden Banken die gesetzlichen Muster, sollten sie bei der Formulierung der Widerrufsbelehrung in Darlehensverträgen aller Sorgen ledig sein. So der Tenor verschiedener Urteile des Bundesgerichtshofes (zuletzt Urteil vom 26.11.2019 – XI ZR 307/18).

Widerruf möglich! – so nach dem neuesten Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 26. März 2020 (AZ C 66/19).

Klar und prägnant soll dem Verbraucher nach Auffassung des EuGH in der Widerrufsbelehrung erklärt werden, wann in seinem konkreten Fall die Widerrufsfrist nach Abschluss eines Darlehensvertrages  beginnt und wann sie endet.

Der EuGH belebt den „Widerrufsjoker“ für Immobilienkredite und Kfz-Finanzierungen neu. Das Gericht erklärt eine derzeit weit verbreitete Klausel für unvereinbar mit europäischem Recht, zu finden in vielen Darlehensverträgen, die nach Juni 2010 abgeschlossen worden sind.

In dem sensationellen Urteil vom 26. März 2020 hat der EuGH entschieden, dass die meisten Darlehensverträge, die nach Juni 2010 abgeschlossen worden sind, fehlerhafte Widerrufsbelehrungen enthalten. Damit begann aber die Widerrufsfrist für diese  Kreditverträge  nicht zu laufen. Die Darlehensnehmer – soweit sie den Vertrag als Verbraucher i.S. des Bürgerlichen Gesetzbuches abgeschlossen haben-  können ihre  Verträge auch Jahre nach Abschluss noch widerrufen. Das „ewige“ Widerrufsrecht kehrt  zurück!

Was aber ist fehlerhaft in den vom EuGH geprüften Widerrufsbelehrungen?

Beanstandet wird der sogenannte „Kaskadenverweis“, der sich in ihnen befindet. Die Bank muss dem  Darlehensnehmer klar sagen, wann die reguläre Widerrufsfrist von 14 Tagen zu laufen beginnt. In den problematischen Widerrufsbelehrungen werden diese sogenannten Pflichtangaben nicht klar benannt, vielmehr  wird schlicht auf „§ 492 Abs. 2 BGB“ verwiesen. Dort wiederum findet sich ein Verweis auf andere Gesetzesregelungen. Der Verbraucher wird von einer Norm zur anderen in diversen Gesetzen geschickt (sog. Kaskadenverweis). Da die Gesetzestexte zudem in der Vergangenheit mehrmals abgeändert worden sind und nur in bestimmten zeitlichen Phasen galten,  ist die Prüfung selbst für Juristen anspruchsvoll.

Dies läuft nach Einschätzung des EuGH (wohl zu Recht) dem Verbraucherschutz zuwider und ist mit europäischem Recht nicht zu vereinbaren. Der Verbraucher muß in klarer und prägnanter Form in die Lage versetzt werden, den Beginn der Widerrufsfrist selbst zu berechnen. Wenn das  -wie im Falle des Kaskadenverweises -nicht der Fall ist, dann ist der Verbraucher weiterhin zum Widerruf des Darlehensvertrages berechtigt. Die 14tägige Widerrufsfrist begann gar nicht zu laufen. Der Bankkunde kann sein Darlehen auch Jahre nach dessen Abschluss noch widerrufen.

Bei Baufinanzierungen ist das Urteil für die Darlehensnehmer besonders interessant, weil damit die aus heutiger Sicht hohen Zinsvereinbarungen aus den Jahren 2010 bis 2016 ersetzt werden können durch aktuell wesentlich niedrigere Zinsen. Eine Vorfälligkeitsentschädigung fällt dabei nicht an. Im Jahr 2012 wurden Finanzierungen mit Zinssätzen von ca 4 % gezeichnet, das aktuelle Zinsniveau liegt bei ca. 1 %. Die Ersparnis beträgt häufig mehr als 10.000 Euro.

Interessant kann auch der Widerruf einer Kfz-Finanzierung sein mit der Chance, das Fahrzeug zurückzugeben. Der Kunde erhält dabei seine Anzahlung und sämtliche Raten zurück. Dann könnten auch Eigentümer von Diesel-Fahrzeugen, die einen Wertverfall ihrer Fahrzeuge zu beklagen haben, ihr Fahrzeug loswerden,  ohne die Manipuilation am Motor  durch den Hersteller beweisen zu müssen. Und dies unabhängig vom Hersteller oder Typ des Fahrzeugs.

Was können betroffene Verbraucher jetzt tun? Nach Prüfung der Widerrufsbelehrung können sie bei Unwirksamkeit der Widerrufsbelehrung denWiderruf erklären und Herausgabe der bereits gezahlten Darlehensraten  abzüglicheinemErsatz für die Kapitalnutzung bzw. einer Nutzungsentschädigung (beim KFZ-Leasing)  verlangen.  Soweit die Bank  Rückzahlung verweigert,  müsste Klage erhoben werden.

Kostenschonender ist vermutlich der Versuch einer außergerichtlichen Streitbeilegung durch Stellung eines Güteantrags bei einer staatlich anerkannten Gütestelle (Formular unter: www.franz-ritter.de). Der der Bank zugestellte Güteantrag eröffnet ein Mediationsverfahren, welches evtl. zu einer rechtsgültigen Einigung führt,  wenn auch die Bank Interesse an einer Einigung hat.

Bei aller Euphorie über den neu gewonnenen „Widerrufs-Joker“ ist zu bedenken, dass der Bankkunde nach dem Widerruf und der Rückabwicklung eine alternative Finanzierung braucht (falls das Darlehen  nicht bereits zurück gezahlt ist). Diese muss vorher gesichert sein. Sollte diese neue Finanzierung wegen veränderter Bonität oder aus anderen Gründen nicht zu erhalten sein, hätte der Kunde mit der Erklärung des Widerrufs ein Eigentor geschossen. Juristische Beratung ist daher vor der Erklärung des Widerrufs dringend geboten.

Dabei  wird auch die jüngste Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 31. März 2020 zu berücksichtigen sein (XI ZR 98/19). Danach stehen den Verwendern der Widerrufsbelehrungen (d. h. den deutschen Banken) Vertrauensschutz zur Seite, wenn sie sich am gesetzlichen Muster orientiert haben. Der BGH widerspricht der Sache nach der Entscheidung des europäischen Gerichtshofes. Was Bestand hat, dürfte vermutlich am Ende das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden haben.

Lassen Sie sich von uns beraten – gerne prüfen wir die Ausssichten bei Ihren Verträgen. Profitieren Sie und nutzen Sie die neu eröffneten Möglichkeiten!

Rechtsanwälte Franz X. Ritter und Dr. Walter Brunner